Der liebe Harald ist ein Fan von energetischen Essenzen. Harald Glööckler ist ein Paradiesvogel, ein deutscher Modedesigner und lebte für einige Jahre in Berlin. Sein Weg führte regelmäßig in meine spirituelle Fachbuchhandlung. Meist wurde er direkt von einer Assistentin angemeldet, die sich vorab informierte ob wir auch alle gewünschten Sachen vor Ort hatten.
Die Telefonate mit ihr waren zauberhaft, denn sie hatte mit spirituellen Essenzen nichts am Hut und so war es ihr hörbar unangenehm nach Meister Essenzen und Equilibrien zu fragen. Zu ihrem erstaunen wusste ich genau was sie meinte und informierte sie, das die aufgestiegenen Meister Serapis Bay und Lady Nada immer vor Ort seien. War Herr Glööckler verhindert und konnte seine Bestellung nicht selbst abholen schickte er einen Fahrer.
So kam es, dass ein hochgewachsener, stattlicher Mann der sichtbares Unbehagen ausstrahlte, in seinem langen, dunklen Designermantel in meiner nach Räucherstäbchen duftenden Buchhandlung stand. Etwas kleinlaut sagte er, dass er im Auftrag von Herrn Glööckler käme und streckte mir geheimnisvoll eine Liste entgegen. “Ich weiß nicht was das alles ist, ich hoffe sie können damit etwas anfangen.”
Mit diesem Satz stellte er sich in eine Ecke, beobachtete argwöhnisch die scheinbar feindliche und beängstigende Umgebung. Man sah ihm an, dass er jeden Moment damit rechnete, dass eine zugedröhnte Hippiehorde durch den Laden tanzte. Das Kobolde aus den Bücherregalen kriechen würden, wäre vermutlich ebenso eine denkbare Option. Ich wollte den armen Kerl nicht gleich mit Erklärungen zum Thema Raumreinigung und Auraschutz durch energetische Essenzen aufklären und so bot ich ihm als erstes eine Tasse Tee an.
Dieser Eisbrecher funktioniert meistens und war auch dieses Mal von Erfolg gekrönt. Denn diesen gesunden Yogi Tee kannte der Fahrer auch von seinem, wie er betonte weltoffenen Freund. Geht doch! Er taut langsam auf. Klar sprechen und einem in die Augen schauen, kann er sogar auch. Er hatte nun bemerkt, das ihm eine “normale” junge Frau gegenüber stand.
Für ihn war somit klar, ich bin die studentische Hilfskraft. Er konnte also offen reden: “Glauben sie an den ganzen irren Kram hier?” “Betrachtet man diesen irren Kram genauer, stellt man schnell fest, das sich hier gesammeltes uraltes Wissen befindet und wer kann schon sagen, was wirklich irre ist? Nicht alle Menschen die sich für einen spirituellen Weg interessieren, sprechen mit Geistern oder sehen hinter jeder Ecke Engel. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass heutzutage einige esoterische Ansätze zu neuer Grundlagenforschung geführt haben… ” gut ich gebe zu, so eloquent war meine Antwort sicherlich nicht. Inhaltlich ging es aber grob in diese Richtung.
Dem Fahrer des Herrn Glööckler viel dadurch auf, dass er mich mit seiner abwertenden Äußerung getroffen hatte. Er ruderte zurück und erklärte mir, dass er solchen Sachen ja eigentlich auch offen gegenüber stehe. “Ich interessiere mich auch für esoterische Sachen. Ich verwende beim Kochen Himalaja Salz. ” In welchem spirituellen Zusammenhang Himalaja Salz und kochen stehen ist mir bis heute nicht ganz klar geworden, aber ich belohnte seinen versöhnlichen Versuch mit einem: “Spiritualität findet sich oft im Alltag wieder, Yoga hält ja auch in immer mehr Fitnesszentren Einzug.” Der Fahrer war sichtlich zufrieden, dass ich ihn als offenen Menschen wahrnahm. Seine Schultern entspannten sich, sein Blick wurde offener und er begann sich aus seiner schützenden Ecke vorsichtig umzusehen.
Eigentlich finde ich die Art von Yoga die in den meisten Fitness- und Wellnesszentren angeboten wird nicht unbedingt spirituell. Ich habe diesen Vergleich angestrebt, weil dieser Mann versucht hat seine Vorurteile zu überwinden und sich etwas Neuem zu öffnen, damit ist er dem wirklichen spirituellen Weg näher als manch anderer, der sich durch seine Äußerung gleich persönlich angegriffen gefühlt hätte. So hatte ich einen neuen Freund gewonnen, der sich sehr auf seine monatlichen Botengänge freute.
Bei jedem Besuch versuchte er nun ein bisschen mehr über diesen ganzen irren Kram zu erfahren. ?